Das Spätwerk, 1980-2000

Was ein “Spätwerk” auszeichnet, gilt als höchst umstritten. Beginnen wir deshalb mit dem Naheliegenden, der zurückgelegten Strecke, den geschaffenen Werken.

Weiler hatte zu Beginn der achtziger Jahre, nach der Phase der “Neuen Landschaften” länger als fünfzig Jahre gemalt. Entstanden waren etwa 1500 Gemälde, zu Beginn in Öl, nach 1960 stets in Eitempera. Dazu kamen gegen vierzig Werke im öffentlichen Raum und ein gewaltiges zeichnerisches Oeuvre mit etwa 4000 Blättern. Weiler begann einen Sinn für seine eigene Lebensgeschichte zu entwickeln. Ihm wurde klar, in welchem Umfang seine Malerei Erinnerungen an Naturbilder enthielt, die er seit seiner Kindheit in sich angesammelt hatte. Das Paradies der frühen Kindertage und das Paradies einer Natur im Werden – waren sie nicht die beiden Seiten der gleichen Erfahrung?

Wer freilich von Weilers Spätwerk Melancholie und Wehmut erwartet, der sieht sich enttäuscht. Im Gegenteil: es hat den Anschein als käme erst jetzt die Fülle all dessen, was er vor sich sah und erträumte, ganz heraus. Das Spätwerk Weilers steht unter Vorzeichen einer besonderen Souveränität. Und dies im wörtlichen Sinne: er beherrscht jetzt das Reich der Malerei, das er sich durch seine konzentrierte Lebensarbeit aufgebaut hatte. Jetzt wollte er es noch einmal wissen.

Es wurde sichtbar, dass er einen eigenen, einsamen Weg gegangen war, der sich mit den Koordinaten der österreichischen Kunst, auch mit den Ausprägungen der “Wiener Moderne” nicht verrechnen ließ. Eine derartige Bejahung der Natur, ein von keinem Zweifel zernagter Glaube an die Kraft und Zukunft der Malerei – wo gibt es dergleichen noch? Manch einem schien solch Zutrauen verdächtig und nicht an der Zeit.

Mit Weilers Spätwerk konfiguriert sich auch jener historische Prozess, der als ökologische Krise oder als “grünes” Bewusstsein mittlerweile die gesamte Öffentlichkeit erfasst hat. Für derlei Debatten, die gewiss nicht ausgestanden sind, hat Weiler durch seine Malerei unausgeschöpfte Beiträge geleistet. In welchem Umfang sich auch die Kunst der Moderne trotz oder wegen ihrer Artifizialität, auf eine Auseinandersetzung mit der Natur verwiesen sieht, das war Weiler seit seinen Anfängen deutlich gewesen. Sein Oeuvre enthält neue und exemplarische Formen der Naturdarstellung, jenseits des gängigen Schemas der Landschaft.

Was das Spätwerk da und dort auszeichnet, lässt sich als eine “Peripetie” beschreiben. Betrachten wir dazu zum Beispiel das Bild “Prunk der Natur” (1987). Schon der Titel bezeichnet einen Überschwang, einen luxurierenden Überhang an Möglichkeiten. Dergleichen ist auch aus Weilers älterer Malerei geläufig. Was jetzt hinzu kommt, ist ein Moment der Ekstase, eine rauschartige Übersteigerung, die einigen seiner Bilder einen dionysischen Furor verleiht. Vielleicht den Höhepunkt in dieser Hinsicht stellt “Macht des Rot” (1987) dar. Das gewaltige 4 x 4 m messende, also quadratische Format, entlässt eine Kaskade heftiger Farbenergien, die sich in einer zentralen Peripetie aufgipfelt. Dort wo die vier Leinwände, aus denen das Gemälde zusammengefügt ist, aufeinanderstoßen, wird ein Punkt allergrößter, ekstatischer Kraft erreicht. Weiler entwarf und erarbeitete dieses Bild ursprünglich für eine Totenkapelle in Lans bei Innsbruck. Auch wenn sich der Auftrag an Weiler schließlich zerschlug, seine denkwürdige Antwort auf den Tod ist uns erhalten. Sie besteht im Glauben an die unüberwindliche, rauschhaft-sinnliche Kraft des Lebens. Welch eine Antwort auf Trauer und Totenklage! Die explodierenden Energien des Gemäldes zerstieben nicht, die Entropie ist gebannt. Gebannt durch eine Gegenkraft, die Sammlung, die Herr wird über die Beschleunigung, der wir im Bild begegnen. Die sich übersteigernden Kräfte halten sich selbst in einer Balance. 

Weilers alte Überzeugung, dass Natur und Spiritualität im Kern verwandt sind, gewinnt im Spätwerk neue Überzeugungskraft. Besonders eindrücklich erscheint “Blauer Vogel. Pfingsten” (1986). Weilers Anspielung an das christliche Geistereignis, auf die Herabkunft nicht der Taube, sondern eines unbekannten “Blauen Vogels” bedient sich einer vertikalen Anordnung. Der Betrachter sieht diese Realität nicht nur in eine frontale Distanz gebannt, wie wir sie aus seinem religiösen Frühwerk kennen. Wir sehen sie jetzt wie ein Ereignis, wie eine sich gerade vollziehende Epiphanie.

Jenseits seines achtzigsten Lebensjahres machte sich der Künstler noch einmal an öffentliche Aufträge. Entstanden ist “Wie eine Symphonie” (1990; 5 x 6,30 m) für den Hörraum der Salzburger Landesausstellung, “Mozart-Bilder und Klänge”, aus Anlass des 200. Todestages des Komponisten. Und schließlich noch die drei gewaltigen Wandbilder für das Innsbrucker Casino (1992/93), die jeweils 3 x 6 m messen. In all den zuletzt genannten Werken ist die dionysische Übersteigerung ablesbar. “Es ist meine Aufgabe, zur modernen Kunst etwas beizusteuern, das ihr fehlt. Was ist das? Sie können es lesen, es ist die Übereinstimmung mit dem großen Leben des Kosmos, eine gewisse Passivität zugunsten einer ungeheuren Wirkkraft des Unterbewußten, eine asiatische Welterfahrung, die die unbedingte Ergänzung dieser europäischen Schau ist. Auch sie ist die Wirklichkeit. Das sage ich für die Einsichtigen unter den Kunstmenschen und denen gehört die Zukunft. Man ist ein Geschehen, das sich nicht selbst beurteilt.” (1988)


Waldtempel, 1981
Eitempera auf Leinwand
200 x 210 cm

Herbstlandschaft, 1982
Eitempera auf Leinwand
210 x 200 cm
Land Vorarlberg Landessammlung

Links ein Rain, 1982
Eitempera auf Leinwand
110 x 200 cm

Garten Eden, 1983
Eitempera auf Leinwand
120 x 160 cm

Euphorischer Hügel, 1986
Eitempera auf Leinwand
95 x 195 cm

Kobaltblaue Blume, 1987
Eitempera auf Leinwand
30 x 40 cm

Ostern, 1986
Eitempera auf Leinwand
200 x 110 cm

Blauer Vogel. Pfingsten, 1986
Eitempera auf Leinwand
195 x 95 cm

Guter Garten, 1987
Eitempera auf Leinwand
200 x 200 cm

Prunk der Natur, 1987
Eitempera auf Leinwand
210 x 400 cm

Macht des Rot, 1987
Eitempera auf Leinwand
400 x 400 cm
Land Tirol Landessammlung

Oktober, 1987
Eitempera auf Leinwand
230 x 345 cm

Porträt Herbert Batliner als Ehrensenator der Universität Innsbruck, 1987
Eitempera auf Leinwand
120 x 160 cm
Albertina, Wien – Sammlung Batliner

Im Innern des Waldes, 1989
Eitempera auf Leinwand
130 x 130 cm

Blaue Landschaft unter gelbem Himmel, 1989
Eitempera auf Leinwand
130 x 130 cm

Blauer Baum, 1988
Eitempera auf Leinwand
230 x 115 cm

Goldener Baum, 1988
Eitempera auf Leinwand
200 x 200 cm

Ultramarin-grün, 1990
Eitempera auf Leinwand
100 x 200 cm