Eine Gleichung taucht in Weilers Kunst jetzt auf. Sie lautet: “Wie eine Landschaft”, womit wohl gesagt sein soll: Das Bild ist keine Landschaft, ähnelt aber einer solchen, verhält sich in ihrer Art. Ein Blick auf die neuen Gemälde zeigt, warum Weiler zu dieser Metaphorik greift. Die Sicherheit der landschaftlichen Perspektive, der er selbst noch unmittelbar nach 1945 getraut hatte, löst sich nunmehr auf. Überhaupt ist die Benennbarkeit einzelner Dinge, ihre Greifbarkeit reduziert, ja aufgehoben. Es ist nun tatsächlich angemessen, davon zu sprechen, diese Form sehe aus wie ein Berg, jene wie eine Wolke etc. – ohne doch derartiges wirklich bezeichnen zu können. Wörtlich genommen sind die Gemälde Ansammlungen von Farbflecken verschiedener Beschaffenheit, die der Maler lesbar gemacht hat im Hinblick auf so etwas wie Natur.
Weiler hat selbst immer wieder betont, wie anregend und wichtig für ihn die Malerei der chinesischen Sung-Dynastie aus dem zehnten bis dreizehnten Jahrhundert gewesen ist. Er hatte sie erstmals durch Hinweise seines Lehrers Karl Sterrer zu Beginn der dreißiger Jahre kennengelernt, war ihrer Eigenart durch Betrachtung und Lektüre nachgegangen. Jetzt konnten sie in seiner eigenen Arbeit fruchtbar werden: durch den Verzicht auf Perspektive, den Fluss der Landschaftselemente im hellen Bildgrund, durch die kunstvolle Regie von Nähe und Ferne, eine Vogelschau, der die Natur wie ein weit ausgebreitetes, grenzenloses Panorama erscheint, überhaupt: durch das Gefühl einer innigen Zugehörigkeit des Menschen zur Natur. Der Maler bringt den Betrachter nicht auf Distanz, er involviert ihn in den Prozess der Natur selbst. Waren die Bilder Weilers vom Ende der fünfziger Jahre, eben jene, die er auf der Biennale in Venedig 1960 gezeigt hatte, ihrer Struktur nach spröd, trocken, brüchig, so erscheinen die neuen wie mit Wasser gemalt.
Für das europäische Bewusstsein bedeutet diese Umdeutung der natürlichen Gegenstandswelt in einen Fluss eine gewaltige Umorientierung. Seit Monets Seerosenbildern aus der Zeit von 1900–1926 haben zahlreiche Maler an dieser Wendung der Erfahrung gearbeitet – Weiler auf seine sehr besondere Weise. Ihm besonders ist die Einsicht zu verdanken, dass die Abkehr von der Natur als Ansammlung von Gegenständen eine Zuwendung zu ihr als ein energetisches Gefüge bedeutet. In ihm kann dann alles “wie Landschaft” betrachtet werden. Die Natur ist noch ganz jung, die Schöpfung liegt nicht hinter uns, sie ist gerade eben im Gange.